Im Prozesscluster Druckguss ist die Gewährleistung fehlerfreier Gussbauteile maßgebend durch die Erstarrungsbedingungen der Schmelze beeinflusst. Die Gewährleistung der bauteilspezifischen, gerichteten Erstarrung, trotz äußerer Einflüsse durch Einhaltung reproduzierbarer, lokaler Formtemperaturverläufe, ist folglich ein wesentlicher qualitätsbestimmender Faktor. Die lokale gewünschte Formoberflächentemperatur soll durch Einsatz eines KI-gestützten und gezielten Trennstoff-Auftrags geregelt werden. Dieser erfolgt automatisiert nach jedem Abguss und kann bei Kenntnis der lokalen Temperaturverteilung den Temperaturhaushalt der Form gezielt beeinflussen. Neben der Formtemperatur soll durch die gezielte Beeinflussung des Trennstoffauftrags ebenfalls die prozesssichere Entformung der Bauteile auf Grundlage einer sensorbasierten Prozessüberwachung sichergestellt werden. Hierzu ist es erforderlich, geeignete Sensorik in aber auch außerhalb der Formkavität einzubringen, sowie die zugehörigen Schnittstellen zu entwickeln. Die aufgenommenen Daten werden mit den Maschinen- und Peripheriedaten sowie den Prozessdaten bauteilbezogen mittels einer KI analysiert und Parameter für den Sprühprozess berechnet. Zusatznutzen liegt in der Optimierung des Minimalmengen-Sprühens und dem Einsatz als Assistent bei der Sprühdüseneinrichtung sowie in der Nachverfolgbarkeit und Prädiktion von latent eintretenden Qualitätsungänzen und Temperaturdrifts. Neben der Optimierung des Temperaturhaushalts in Wechselwirkung mit dem Trennstoffauftrag werden zudem ganzheitlich wirkende KI-basierte Assistenzsysteme entwickelt, die sowohl den Prozess (Predictive Quality) als auch das Produktionssystem (Predictive Maintenance) berücksichtigen, um die gewünschte multikriterielle Optimierung des Druckgussprozesses erreichen zu können. Zudem besteht ein Schwerpunkt in der Entwicklung einer Methodik zur Speicherung von „menschlichen Erfahrungswerten“ und „geometrisch-technischen Wechselwirkungen“, um diese für das Modelltraining und die Einschränkung der Aktionsräume von KI-basierten Assistenzsystemen zu nutzen.
Das UAP „Druckguss“ unterteilt sich in zwei Hauptbereiche. In einem Abschnitt wird die Prozessoptimierung durch KI-gestützte Verfahren untersucht. In einem zweiten Abschnitt erfolgt die Entwicklung von KI-Assistenzsystemen zur Optimierung der Produktion (Predictive Quality) sowie des Produktionssystems (Condition Monitoring und Predictive Maintenance).
Im ersten Abschnitt wird in enger Zusammenarbeit mit der Wollin GmbH ein Versuchsaufbau, einschließlich Forschungswerkzeug in Kooperation mit AWEBA, konzipiert, mit dem eine KI-Modell Entwicklung für den Trennstoffauftrag im Druckguss ermöglicht werden soll. Anhand der daraus gewonnen Informationen soll ein zweites Modell, basierend auf dem Modell für das Sprühen, die Prozesssicherheit der Entformung der Bauteile gewährleisten. Hierfür werden Anhand von zusätzlich ermittelten Sensordaten, wie bspw. Auswerferkräften und Kavitätssensoren, bauteilspezifische Prognosen erzeugt, welche helfen sollen den Prozess zu optimieren. Des Weiteren soll mittels einer Kombination aus numerischer Simulation und künstlicher Intelligenz der Umfang der von der Maschine bereitgestellten Daten minimiert und ein möglichst generisches ML-Modell ermöglicht werden, welches nach einer kurzen Anlernphase auf jeder Druckgussmaschine einsatzfähig sein soll, sofern die benötigten Prozessdaten vorliegen. Nach Abschluss der Erprobung in der Forschungsgießerei des ifs im Leichtmetallzentrum Soltau, sollen die genannten Modelle in einer Beta-Phase in einem realen Produktionsumfeld bei der G.A. Röders GmbH & Co. KG validiert werden. Sobald die Validierung zu befriedigenden Ergebnissen führt sollen die beiden Modelle zu einem cloudbasiertem Gesamtsystem kombiniert werden, auf welches Gießereien über die mit der BREOS GmbH entwickelte BREOS CORE Plattform zugreifen können.
In einem weiteren Teilprojekt werden zunächst Anforderungen für Visualisierungen und Funktionen für die KI-Assistenzsysteme zur Optimierung der Produktion und für Predictive Maintenance formuliert. Produktionsbegleitend werden Maschinen-, Prozess- und Qualitätsdaten in mehreren Druckgießereien erfasst und einer geeigneten Vorverarbeitung unterzogen. Neben Maschinen-, Prozess- und Qualitätsdaten werden zudem umfangreich Daten für die Verbesserung der ganzheitlichen Effizienz sowie des CO2-Footprints des Druckgussprozesses erfasst und verarbeitet. Die Daten werden in für die unterschiedlichen Arbeitsplätze und Ausbildungsstände in der Gießerei aufbereitet und den Mitarbeitenden der Druckgießereien sowie Experten für Prozess- und Produktionssystem zur Verfügung gestellt. Diese sichten die Prozess- und Qualitätsdaten und leiten geeigneten Maßnahmen zur Verbesserung der Prozesse der Produktion ab. Sie dokumentieren Erkenntnisse und Ergebnisse in den in Arbeitspaket 2 zu entwickelnden Semantiken und Ontologien und beteiligen sich so an der Vorbereitung der Datenbestände für die Entwicklung der ML- und KI-Modelle, sowie deren Konditionierung durch entsprechendes Erfahrungs- und Expertenwissen.
Die erarbeiteten Datensätze, bestehend aus Primärdaten, Tags und Expertenwissen, werden in der zu entwickelnden Semantik / Ontologie, zu Trainingsdatensätzen für die Entwicklung der ML- und KI-basierenden Assistenzsystemen zusammengefasst. Abschließend werden prototypische Assistenzsysteme zur Unterstützung der Mitarbeiter/innen bei der Prozessoptimierung des Druckgießprozesses entwickelt.
Zur Erreichung der übergeordneten Ziele werden im Projekt (i) standardisierte Datenmodelle mit zugehörigen Schnittstellen für CATENA-X geschaffen, (ii) KI- und Simulationsansätze zur Optimierung multipler Zielgrößen für Gießereiprozesse und Produktionssysteme, insbesondere zur Steigerung der Resilienz und der Verbesserung des CO2-Footprint erarbeitet, und ein KI-App Ökosystem zur föderierten ML- und Datenanalytik entwickelt sowie (iii) die Ergebnisse in eine branchenweite und -übergreifende OPC UA Standardisierung und den Technologietransfer überführt. Zur Erreichung dieser Ziele werden folgende wissenschaftliche und technische Arbeitsziele im Prozesscluster verfolgt:
Im Themenschwerpunkt des Prozessclusters Druckguss sollen KI-Modelle zur Prozessoptimierung, insbesondere der Verbesserung des Temperaturhaushalts im Zusammenhang mit dem Trennmittelauftrag, sowie KI-Modelle für Predictive Quality entwickelt werden. Neben dem Prozess soll zudem das Produktionssystem betrachtet werden, indem KI-Modelle für ausgewählte Predictive Maintenance Anwendungsfälle entwickelt werden sollen. Durch die Zusammenarbeit der Partner in diesem Arbeitspaket werden Synergien geschaffen, um ein umfassendes Verständnis der Prozesse und deren Optimierungspotenziale zu erlangen. Die Integration der verschiedenen KI-Modelle und Ansätze ermöglicht eine prozessübergreifende Betrachtung und Steuerung der Gussteilproduktion. Dadurch soll ein signifikanter Beitrag zur Qualitätssicherung und Effizienzsteigerung in der Gussteilfertigung geleistet werden. Die erstellten KI-Modelle werden als Demonstrator-Apps in die BREOS CORE Plattform implementiert und entsprechende Ergebnisse visualisiert.
Zusätzlich sollen mit modellbasierter Gießsimulation KI-gestützte Simulationen und Optimierungen ermöglicht werden, um sowohl die Qualität der Produkte als auch den Energieverbrauch zu optimieren. Eine innovative App wird in Zusammenarbeit der Arbeitspakete 3.5 und 4.1 entwickelt, um komplexe Simulationsergebnisse für den Einsatz in der Fertigung aufzubereiten und bereitzustellen.
Leitung des Teilvorhabens:
TU Braunschweig – Institut für Füge und Schweißtechnik ifs
Kooperationspartner: