Teilvorhaben: „Autonome Qualitätscharakterisierung von Gussbauteilen mit Röntgendurchstrahlungsmethoden mit KI basierten Bildanalysemethoden“
Motivation:
Die Qualitätssicherung ist ein wichtiger Baustein in der komplexen Kette eines gesamten Produktionsprozesses von Gießereierzeugnissen. Eine zuverlässige Erkennung und Bewertung von Gießdefekten ist insbesondere bei sicherheitskritischen Bauteilen von enormer Bedeutung, um einerseits einen sicheren Betrieb zu gewährleisten und andererseits Ausschuss zu minimieren und dabei einen wichtigen Beitrag zur Reduktion des CO2-Footprints zu leisten. In vielen Gießereien, v. a. bei Zulieferern im Automobilsektor werden Produkte mit hohem Durchsatz erzeugt, so dass eine manuelle Qualitätsinspektion zu 100 % kaum möglich ist. Um auch innenliegende Defekte zuverlässig erkennen und bewerten zu können, werden daher autonom arbeitende Röntgenbildanalysesysteme eingesetzt. Anhand dieser Bewertung und vorgegebenen Qualitätsspezifikationen werden die Bauteile automatisch als IO oder NIO klassifiziert. Eine detaillierte Defektklassifikation ermöglicht es, die Daten weiterzunutzen, um Produktionsprozesse besser zu verstehen und Fehlerursachen zu identifizieren. So können frühzeitig Maßnahmen ergriffen werden, um Defekte zu minimieren oder ganz zu vermeiden.
Bisherige Methoden der autonomen Bildanalyse erfordern ein großes Expertenwissen und einen enormen Aufwand, um die dahinter liegende Analysealgorithmik für jedes Bauteil und jede Prüfansicht individuell so zu parametrieren, damit Defekte zuverlässig erkannt werden. Vor allem Gießereien mit einem breiten Produktspektrum und kleinen bis mittleren Losgrößen, die zum Beispiel Produkte für den Bahnverkehr herstellen, übersteigt der Aufwand solcher Software der klassischen Bildanalyse meist den Nutzen. Wir streben daher an, mit Methoden der künstlichen Intelligenz die manuelle Parametrierung überflüssig zu machen, sodass die Bildanalyse für beliebige Röntgenbilder mit minimalem Aufwand auch von ungeschultem Personal eingerichtet werden kann.
Vorgehensweise:
Ausgehend von einer großen Anzahl Röntgenbilder hoher Diversität wird ein KI-Modell entwickelt, welches in der Lage ist, Gießdefekte zuverlässig zu detektieren und zu klassifizieren. Der Datenpool für das Training der KI umfasst zum einen historische Daten, Röntgenbilder, die dem Fraunhofer EZRT von der Firma PINTER GUSS zur Verfügung gestellt werden, sowie synthetische Röntgenbilder, die mit Hilfe von Röntgensimulationstools, CAD-Daten von realen Bauteilen und realitätsnah modellierten Defekten erzeugt werden. Das Defektlabeling der realen Aufnahmen wird durch Röntgenexperten vorgenommen, die langjährige Erfahrung in der Qualitätssicherung von Gussbauteilen aufweisen können.
Im Rahmen dieses Teilprojektes entsteht eine webbasierte Toolchain, welche das manuelle Defektlabeling in Röntgenbildern, die autonome Detektion und Klassifikation von Defekten mit dem entwickelten KI-Modell sowie die Visualisierung und den Datenexport der Analyseergebnisse umfasst. Die KI basierte Bildauswertung erfolgt dabei zweistufig. Im ersten Schritt werden Defekte in Röntgenbildern erkannt und Defektmasken erzeugt. Daraus lassen sich metrische Eigenschaften wie Fläche oder Formfaktor ableiten, die üblicherweise zur Bewertung des Bauteils bezüglich der Qualitätsspezifikationen herangezogen werden. Im zweiten Schritt werden anhand der geometrischen Merkmale die Defekte nach ihrer Art klassifiziert, z. B. in Pore, Lunker, Porosität. Diese Klassifizierung ist besonders dann wertvoll, wenn aus den Ergebnisdaten eine Fehlerursachenanalyse erfolgen soll, wird aber auch in manchen Fällen zur Qualitätsbewertung des Bauteils herangezogen, bspw. wenn eine Prüfung nach ASTM E2422 vorgeschrieben ist.
Das Fraunhofer EZRT nutzt seit über 20 Jahren die Systemlösung ISAR (Intelligentes System zur automatischen Röntgenprüfung) für die autonome Inspektion von Gussbauteilen mit der Röntgendurchstrahlung. Die bisherige klassische Art der Bildauswertung soll in diesem Projekt durch die Option der KI basierten Bildauswertung erweitert werden. Dabei unterstützt die Firma PINTER GUSS, die mit Röntgenbildern verschiedenster Gussbauteile einen wertvollen Beitrag zum Training und zur Validierung von neuronalen Netzen leistet. Das entwickelte KI-Modell wird anhand von repräsentativen Szenarien evaluiert. Dabei werden Bauteile in statistisch signifikanter Anzahl geprüft und diese zuerst manuell mit Hilfe mehrerer Röntgenexperten ausgewertet. Die Ergebnisse werden dann mit der klassischen ISAR-Bilderkennung sowie der neu entwickelten KI basierten Bildauswertung hinsichtlich Zuverlässigkeit und Fehlanzeigen verglichen.
Ziel:
Primäres Ziel ist die Erschaffung eines KI basierten Röntgenbildanalysemodells, welches in der Lage ist, Gießdefekte zuverlässig zu detektieren und zu klassifizieren. Dabei entsteht zunächst ein einfaches webbasiertes Tool, mit dem die Bildauswertung durchgeführt und bei Bedarf das Modell nachtrainiert werden kann. Für die industrienahe Evaluierung nach Projektende wird ein Softwareprototyp einer neuen ISAR-Version erstellt, in dem optional die KI-basierte Analysemethode ausgewählt werden kann.